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Höhenflug zum Abschluss des Tiroler Naturführer:innenkurses – Gruppe 2 im Nationalpark Hohe Tauern, 22.-25. Juni 2023

Die Hohen Tauern rufen zur Abschlussrunde des heurigen Naturführerkurses vom 22.-25. Juni in Kals am Großglockner. Nachdem wir in den ersten Kursmodulen zu den Lebensraumschwerpunkten Wasser, Wald und Wiese in drei der fünf Tiroler Naturparke zu Gast waren, darf zum Abschluss auch die Königsklasse der Schutzgebiete nicht fehlen. Der Nationalpark Hohe Tauern bietet ein grandioses Setting, um sich mit den speziellen Anpassungen von Gebirgspflanzen und -tieren zu beschäftigen. Außerdem lädt das zumindest unter Geologen weltweit bekannte Tauernfenster uns dazu ein, nochmal die Grundlagen der Geologie zu vertiefen – mit besonderem Augenmerk auf die metamorphen Umwandlungsgesteine, die für die Region so charakteristisch sind. Und weil Inhalte nicht alles sind, gibt Kommunikationsprofi Martin Krejcarek den angehenden Naturführer:innen wertvolle Tipps zu Gruppenleitung und Veranstaltungsaufbau mit auf ihre beginnende Laufbahn.

Der Rasegg-Schwemmfächer, eine lehrbuchreife Eiszeitspur

Typisch für die Gegend: Kalk-Glimmerschiefer im Dorfertal

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Donnerstag gibt es ein Wiedersehen mit dem aus dem ersten Modul bekannten und berüchtigten Geologie-Methodenprofi Magnus Lantschner. Zur Einstimmung lädt er die Kursteilnehmer:innen ein, mit geschlossenen Augen tief in die Gesteinswelt einzutauchen – inklusive der damit verbundenen relevanten zeitlichen Dimensionen. Magnus erzählt im Zeitraffer den Werdegang eines der geologischen Aushängeschilder der Hohen Tauern. So vergehen in wenigen Minuten gut 150 Millionen Jahre, bis der grüne Serpentinit nach einer langen Reise durch die Erdkruste vor „nur“ 5-10 Millionen Jahren erstmals ans Sonnenlicht kommt. Wie ein Korken schnellen die Gesteine des Tauernfensters in die Höhe und schlussendlich an das Licht der Welt, nur eben mit den Geschwindigkeiten, die nur in der Geologie selbstverständlich sind – bei dieser Aufwärtsbewegung gehen Fachleute von etwa einem Millimeter pro Jahr aus. Von einem Aussichtsplatz mitten in Kals vor unserem Basilager Ködnitzhof bietet sich eine Aussicht, die in geologischer Hinsicht lehrbuchreif ist: Der Rasegg-Schwemmfächer auf der gegenüberliegenden Talseite ist ein Musterbeispiel für einen alpinen Schwemmkegel. Landschaftselemente wie dieses erzählen von einer relativ jungen Talgeschichte. Die umgestaltenden Kräfte einer Eiszeit würde ein derartiger Schwemmfächer nicht überdauern, da es sich nur um eine riesige Ansammlung aus losem Schuttmaterial handelt.

Nach dem kurzen Einstieg im Dorfzentrum fahren wir in Richtung Dorfertal. Die Geschichte der verhinderten Flutung dieses Tals für einen Speichersee ist eng mit der Gründungsgeschichte des Nationalparks Hohe Tauern verwoben. Wir erfahren, dass besonders die Kalser Frauen eine entscheidende Rolle als Aktivistinnen gegen das energiewirtschaftliche Megaprojekt spielten – und haben im Tagesverlauf noch Gelegenheit, uns das Dorfertal im verbauten und überfluteten Zustand vorzustellen. Bevor wir uns auf die geologische Wanderung machen, stellt Magnus noch seine „eierlegende Wollmilchsau der Alpenentstehung“ vor. Damit meint er den Versuch, auf einer einzigen mehrere Meter langen Bodenplane all jene erdgeschichtlichen Zeitalter mitsamt der wichtigsten Organismen, Ablagerungs- und Auffaltungsprozesse bildhaft darzustellen, die für die Alpen und ihre Gesteine von Bedeutung sind.

Am Einstieg der Daba-Klamm, die aufgrund der natürlichen Verengung am Eingang für Kraftwerksbetreiber noch Ende des vorigen Jahrhunderts geradezu prädestiniert für eine Staumauer schien, stiehlt ein botanisches Highlight vorübergehend der Gesteinswelt die Show: einige Exemplare der kalkliebenden Orchidee Frauenschuh laden zum Bestaunen ein. Zurück in der Geologie bekommen die Kursteilnehmer:innen noch zwei Aufgaben für die Wegstrecke durch die Schlucht, ausgerüstet mit verdünnter Salzsäure. Den für die Gegend charakteristischen (und kalkfreien) Grünschiefer zu finden, und mit dem Salzsäuretest zum Beispiel die ähnlich aussehenden, aber chemisch sehr unterschiedlichen Minerale Quarz und Calcit (Kalkspat) unterscheiden zu lernen. Calcit bricht gerade ab und schäumt unter Zugabe von verdünnter Salzsäure auf, da das Calciumcarbonat aufgelöst und Kohlendioxid freigesetzt wird. Außerdem kann die Härte eines Gesteins ein wertvolles Indiz zur Unterscheidung sein. Härtere Minerale ritzen weichere an – der Geologe Friedrich Moos nutzte schon im frühen 19. Jahrhunderten diese einfache Einsicht zur Erstellung einer Härteskala von 1 bis 10, auf der Calcit das Referenzmineral für den Wert 3 (mit Kupfermünze ritzbar, mit Taschenmesser erst recht) und Quarz jenes für den Wert 7 (ritzt Fensterglas) darstellt. Nicht zu verwechseln ist die Härte mit der Zerbrechlichkeit eines Minerals.

Blick in die Daba-Klamm

Vulkanausbruch live nachgestellt

 

 

 

 

 

 

 

Während wir uns mit ansteigenden Höhenmetern den Weg durch die Erdgeschichte erarbeiten, stoßen wir zuerst auf Kalkglimmerschiefer und Kohleschiefer. Daraufhin durchwandern wir endlich jene Zone in der Abfolge der Gesteinsschichten der Schlucht, in der wir beim Grünschiefer fündig werden. Auch Quarz und Calcit werden ausgiebig mit Salzsäure beträufelt, und das geologische Gespür wächst mit dem Fortschritt der Wanderung. Der Blick in die Daba-Klamm lässt uns die erosive Kraft des Wassers regelrecht spüren. In den steilen Wänden gegenüber lassen sich mit dem Fernglas Mauerläufer erspähen.

Im Hochtal angekommen, packt Magnus sein Rieselbild aus, bei dem verschiedene für die Alpengesteinsbildung wichtige Sedimentationsprozesse zwischen zwei eingerahmten Glasscheiben bildhaft verständlich gemacht werden – it’s showtime! Ein paar Teilnehmer:innen kommen kurz später zum vereinbarten Treffpunkt – aber der „Bestattung“ einer toten Maus am Wegesrand durch die Aaskäfer Totengräber und Rothalsige Silphe kann man nicht jeden Tag beiwohnen. Und schon lässt Magnus Sand, Schotter, Muschelstücke und andere symbolische Sedimente sich ablagern. So werden Buntsandstein, Salz- und Gipsablagerungen, Wetterstein, Hauptdolomit, Partnach-Schichten, Hauptdolomit, Ölschiefer, Kössener Schichten, Oberrät- und Adneter Kalk sowie die Allgäu-Schichten und Radiolarit zu mehr als trockenen Begriffen. Zum krönenden Abschluss dieser Performance simuliert Magnus noch einen Vulkanausbruch mit selbst angerührtem rotem Magma – das Gran Finale des Vormittags. Am Nachmittag geht es nach stärkender Mittagspause bei der Bergeralm darum, mit den wichtigsten metamorphen Mineralien und Gesteinen näher auf Tuchfühlung zu gehen. Doch als acht Gänsegeier über den Gipfeln des Dorfertals ihre Kreise ziehen, tauschen wir Lupen kurz gegen Ferngläser aus. Solche Feste feiern wir natürlich, wie sie fallen. Magnus und die Mineralien laufen nicht weg, die seltenen Sommergäste im Nationalpark könnten theoretisch schon wenige Sekunden später hinter dem Berggrat verschwunden sein. Daraufhin machen wir uns, ausgestattet mit Lupen, Infoblättern, Diagrammen, Mineralien in Reinform und verschiedenen Gesteinen, mit Glimmer, Feldspat und Granat vertraut und beschäftigen uns mit den Bedingungen, unter denen sie jeweils entstanden sind. Diese spezifischen Entstehungsbedingungen machen auch viele Mineralien zu Indikatoren, die uns viel über die Geschichte eines Gesteins erzählen können.

Achtsamkeitsübung mit Steinen

Der Bogen steht

 

 

 

 

 

 

 

Der kreative Abschluss kommt den schon leicht rauchenden Köpfen der angehenden Naturführer:innen entgegen. Verschiedene Kleingruppen loten das künstlerische Potential der Beschäftigung mit Steinen aus. Diese werden nach Form, Größe oder Art der Mineralien angeordnet. Im Nu entsteht so eine ästhetisch ansprechende Steinlandschaft im Bachbett. Nur bei einer Kleingruppe dürfen die Gehirne weiter qualmen. Die vergleichende Dichtemessung verschiedener Gesteine mit einfachsten Hilfsmitteln (Eimer und Federwaage) scheint zuerst knifflig, doch auch hier lässt der „Heureka-Effekt“ nicht lange auf sich warten. Ein Heureka der anderen Art erleben wir auf dem Rückweg. Eine rasend schnell nahende Gewitterfront bringt einen beeindruckenden Hagel mit sich – wir sind froh um die überhängenden Felsen, die uns im richtigen Moment Schutz bieten. Nach überstandenem Unwetter klopfen wir selbst mit Steinen einen kleinen akustischen Sommerregen herbei. Einen Höhepunkt behält sich Magnus noch für den Rückweg durch den finsteren Tunnel in der Daba-Klamm auf, welchen wir ohne Taschenlampen bestreiten. Dafür sorgt das Klopfen mit Quarzsteinen für kleine Funken in der absoluten Dunkelheit (piezoelektrischer Effekt).

Am Freitag stehen eine Exkursion ins Ködnitztal mit dem Schwerpunkt Naturbeobachtung und Wildtiere und der Besuch im Nationalparkhaus in Matrei in Osttirol auf dem Programm. Unser Begleiter Andreas Rofner ist schon seit etwa zwei Jahrzehnten Ranger im Nationalpark Hohe Tauern. Da kommen über die Jahre eine ganze Menge Beobachtungen und Wissen zusammen. Wir haben also bei der Wildtier-Exkursion mit Andreas die Gelegenheit, diesen reichen Erfahrungsschatz anzuzapfen und uns von seiner Begeisterung für die Lebewelt der Hohen Tauern anstecken zu lassen.

Nationalpark-Ranger Andreas Rofner

Bartgeier, erfolgreiches Comeback in den Hohen Tauern

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Vorfreude ist groß, als wir mit Spektiv und Ferngläsern ausgerüstet zur Wildtierbeobachtung im Ködnitztal aufbrechen. Einen Überblick über die berühmten alpinen „Big Five“ (Murmeltier, Gämse, Steinbock, Steinadler, Bartgeier), mit denen der Nationalpark seine Wildtier-Exkursionen bewirbt, verschaffen wir uns im Panoramahaus mit Glocknerblick. Dort lassen wir auch den ersten starken Regenguss des Tages vorüberziehen. Andreas erzählt interessante Geschichten zum polyandrischen Liebesleben des Bartgeiers, dem „Lämmergeier“-Irrtum und Nahrungsanpassungen sowie Brutverhalten. Aufgrund der weiten Tagesstrecken von bis zu 500 Kilometern pro Tag sind für aufmerksame Naturbeobachter Sichtungen auch weit außerhalb der Brutgebiete möglich. Wir werden die Herausforderung mit nach Hause nehmen, denn der Bartgeier lässt sich als einziger der fünf Großen nicht vor der Gesamtgruppe blicken. Einige „Späher“ in unserer Gruppe haben allerdings außerhalb der Kurszeiten das Vergnügen.

„Der Späher“ in Aktion

Wohin zuerst schauen? Immer mehr Sichtungen im Verlauf der Exkursion

 

 

 

 

 

 

 

 

Dafür bekommen wir mehrere Gelegenheiten zur Beobachtung von Gamswild und in weiterer Folge auch Steinwild mit Fernglas und Spektiv. Der Steinadler, den wir schon am Vortag im Dorfertal beim eleganten Kreisen in der Höhe beobachtet haben, fliegt heute im leichten Regen ohne Thermik eindeutig schwerfälliger. Immer wieder durchbrechen die pfiffähnlichen Warnschreie der Alpenmurmeltiere die Stille im Ködnitztal. Am Sonntag werden wir die beliebten Nager noch hautnah auf unserer Hochgebirgswanderung erleben. Doch es müssen nicht immer die großen fünf sein: nicht weniger spannend sind der Kuckuck, der unweit des Weges auf einer toten Fichte Position bezogen hat, oder der Turmfalke, der in einer Felswand genüsslich seine Beute verspeist. Mit so vielen Sichtungen in kurzer Zeit können wir uns guten Gewissens ins Lucknerhaus für die Mittagspause zurückziehen. Im Nationalparkhaus in Matrei gibt uns Andreas anhand des Reliefs einen Überblick über den Nationalpark Hohe Tauern, mit einem Schwerpunkt auf die großen derzeitigen Veränderungen, was Wald und Gletscher betrifft, und führt seine spannenden Geschichten zu den Alpentieren vor den präparierten Exemplaren weiter aus.

Tiroler Naturführer:innen unter dem Großglockner

Alpentiere im Nationalparkhaus

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Samstag dürfen sich die Muskeln entspannen, an diesem Tag ist vor allem geistige Präsenz gefragt. Wir halten das Seminar mit Kommunikations- und Naturvermittlungsexperten Martin Krejcarek im Speisesaal des Ködnitzhofes ab. Martin gehört zu den Pionieren der österreichischen Naturpädagogik-Szene und arbeitet als Organisationsentwickler mit zahlreichen Unternehmen und Insititutionen. Wir beschäftigen uns mit Vorurteilen, Gruppendynamiken und Interaktionsmustern. Dabei gehen wir vor allem den Fragen nach, wie qualitative Gruppenleitung aussehen kann, und welche Zutaten den Mix einer gelungenen Naturveranstaltung ausmachen. Wir diskutieren über zu beachtende Rahmenbedingungen, Authentizität der Naturführer-Persönlichkeit, Bedürfnisgruppen, Themen-Fokus, vielfältige Methodik und Dramaturgie („das Spiel mit der Spannung“). Durch seine langjährige Tätigkeit im Feld der Naturvermittlung zwischen Konzeption, Supervision und Durchführung kann Martin nicht bloß graue Theorie bieten, sondern auch zahlreiche Best-Practice-Beispiele von Naturerlebnisangeboten, die sich als besonders erfolgreich herausgestellt haben (z.B. Naturschauspiel Oberösterreich). Ein Leitwort bleibt hängen: „interessant“!

Martin Krejcarek, Biologe, Kommunikationstrainer und Organisationsentwickler

Fremdeinschätzung hinter dem Rücken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gruppenaufgabe mit naturkundlichen Fragestellungen

Gruppenleitung ausprobieren

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Biologe und Naturpädagoge Philipp Kirschner, der sich im Zuge seiner Forschungstätigkeit intensiv mit Hochgebirgspflanzen auseinandersetzt, begleitet uns am letzten Exkursionstag des heurigen Naturführer:innenkurses noch einmal durch das Ködnitztal in Richtung Großglockner – mit dem Erreichen der Stüdlhütte auf ca. 2.800 Metern Meereshöhe haben wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, welches strenge Zeitdisziplin erfordert. Eine Notwendigkeit für den Kursleiter, „zu schließen“ und den am Vortag im Seminar diskutierten „autoritären Leitungssstil“ geltend zu machen? Dieser running gag begleitet uns bis auf die Stüdlhütte – die wir genau in der angestrebten Zeit erreichen. Im Vergleich zur Wildtier-Exkursion mit Andreas Rofner haben wir unseren Blick aber auf eine andere Brennweite eingestellt, und unser Fokus gilt diesmal mehr dem Boden samt Bewuchs statt dem Himmel und den entfernten Hängen. Doch Philipp wird uns vorführen, dass auch im Kleinen große Sehenswürdigkeiten verborgen liegen. Seine beachtliche Fachkenntnis zur alpinen Flora paart sich mit einer ansteckenden Begeisterung für die „Höchstleistungen“ der Gebirgspflanzen. Wir müssen uns schon fest vornehmen, einige Pflanzen auszublenden und die Wissbegier im Zaum zu halten, da wir uns einiges an Höhenstufen vorgenommen haben.

Philipp Kirschner, Experte für Hochgebirgspflanzen

Botanische Wanderung im Ködnitztal

 

 

 

 

 

 

 

 

Schon nach wenigen Schritten machen wir zum ersten Mal Halt, da wir uns bereits mitten in einer für Gebirgslagen typischen Vegetationsgesellschaft befinden. Die Hochstaudenflur ist durch frischen, nährstoffreichen Boden gekennzeichnet. Hier wachsen stark wüchsige krautige Pflanzen mit großer Blattfläche, wie zum Beispiel der Kahle Alpendost und die Meisterwurz, welche zumindest den Schnapsliebhaber:innen ein Begriff sein sollte (wir geben uns mit der Wurzelverkostung zufrieden, eine bittere Angelegenheit!). In der Strauchschicht dominiert die Grün-Erle, begleitet von der Felsen-Johannisbeere.

Beim nächsten Stopp im Almwirtschaftsgürtel beschäftigen wir uns mit dem ökologisch wichtigen Thema von Pflanzen als Indikatoren. Wir sind mit einer Kuriosität konfrontiert, als wir die Rostrote Alpenrose und die Bewimperte Alpenrose an derselben Stelle finden. Erstere zeigt in der Regel silikatischen Untergrund an, zweitere hingegen deutet auf Kalk. Zusammen sprechen sie für die komplexe geologische Situation des Tauernfensters und erinnern uns daran, dass auch auf kalkhaltigen Gesteinsuntergründen eine oberflächliche Versauerung stattfinden kann. Manchmal hybridisieren die beiden Arten sogar. Einige hundert Höhenmeter weiter oben, im Bereich der alpinen Rasen, bilden sich auf kalkreichem Untergrund Blaugrasrasen mit Horstseggen aus. Dort gedeihen auch der Tüpfel-Enzian und die Alpen-Anemone. Auf silikatischem Gestein hingegen ist die Krumm-Segge eine Leitart. Erst im Bereich des Krummseggenrasens stoßen wir dann auch auf die Landkartenflechte, welche Kalkgestein meidet, auf Felsblöcken, sowie auf Safranflechte, Schneeflechte und Totengebeinsflechte. Der Einfluss des geologischen Untergrunds auf die Vegetation nimmt im Hochgebirge zu, da durch die geringeren Bodenmächtigkeiten die Pflanzen stärker von den Eigenschaften des darunterliegenden Gesteins beeinflusst werden.

Gemsheide in voller Blüte

Typische Gebirgsstrategie: dichter Polsterwuchs der Polsternelke

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Bereich zwischen Luckner- und Stüdlhütte tauchen wir immer tiefer in die Welt der Hochgebirgsspezialisten und deren Anpassungen an eine zumindest zeitweise extrem lebensfeindliche Umgebung ein. An einer windgefegten Kante blüht die bestens angepasste Gemsheide, die ein günstiges Mikroklima in Bodennähe zu erzeugen vermag. Der Überlebenskampf bedingt ein äußerst langsames Pflanzenwachstum (der Krummseggenrasen kann sich nur um etwa ein Millimeter pro Jahr horizontal ausbreiten), und viele Pflanzen setzen vermehrt auf vegetative Vermehrungsstrategien, anstatt sich nur auf die risikobehaftete Samenbildung zu verlassen (z.B. Alpen-Rispengras). Mit Netz-Weide und Polsternelke stoßen wir auch auf zwei ausgesprochene Hochgebirgs-Spezialisten. Alpen-Anemone, Kriechende Nelkenwurz, Zwerg-Primeln und Frühlings-Enziane sorgen für Hingucker und Farbtupfer quer durch die Palette. In der subnivalen Zone in unmittelbarer Nähe der Hütte stoßen wir auf die absoluten Extrembergsteiger unter den Blütenpflanzen: der Gletscher-Hahnenfuß ist bekannt als eine der höchststeigenden Blütenpflanzen, und der Gegenblättrige Steinbrech hält mit über 4.500 Metern am Dom in der Schweiz sogar den europäischen Rekord. Ein naher Verwandter hingegen, der Rudolph-Steinbrech, hat als Endemit ein kleineres Verbreitungsgebiet in den Ostalpen.

Gletscher-Hahnenfuß, top-angepasster Spezialist

Blick auf den Gletscher oberhalb des Teischnitztals

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach vielen Erlebnissen, vermittelten Inhalten und neu entstandenen Freundschaften wird es schließlich Zeit, den diesjährigen Naturführer:innenkurs feierlich am geographischen Höhepunkt der Ausbildung zu beenden. Dazu lassen wir auf einer natürlichen Plattform mit Blick auf vom Gletscher ins Teischnitztal hinabrauschende Wasserfälle noch einmal absolute Stille walten – ein bewegender Moment an einem atemberaubenden Ort.

Ich bedanke mich bei allen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern für die schöne Zeit miteinander, das engagierte Dabeisein und den harmonischen Ablauf – in der festen Überzeugung, dass der Funke übergesprungen und das Fundament für eine lebenslange Vertiefung gelegt ist.

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