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Feuerwanze

Feuer gegen Vorurteile

Enorm: 30 Stunden lang Sex im Gehen  – das klingt eher anstrengend als anregend, denke ich mir. Vor allem für die bessere Hälfte, die im Rückwärtsgang unterwegs ist. Aber für die Feuerwanzen ist genau diese Art der Fortpflanzung anscheinend das Höchste der Gefühle.

Schon wieder hat mich ein ganz gewöhnliches Tier mit einer spannenden Geschichte überrascht! Wanzen haben einen schlechten Ruf. Das hat berechtigte Gründe, aber man sollte wie so oft genauer hinschauen, bevor man jemanden zu unrecht verurteilt.

Wanzen beißen und saugen Blut!
Das Vorurteil ist hauptsächlich auf die blutsaugende Bettwanze zurückzuführen. Sie versteckt sich gern dunklen Ritzen von Schlafzimmern, um nachts das Blut-Büffet zu eröffnen. Zum Glück habe ich kein Foto von ihr – wir haben bisher keine Bekanntschaft gemacht. Ich klopfe auf Holz, dass es so bleibt.

Wanzen sind giftig!
Ja, sie sehen gefährlich aus. Besonders Feuer-, Ritter- und Zimtwanzen mit ihrer auffallend rotschwarzen Zeichnung vermitteln Vögeln und anderen Fressfeinden gleich das rettende „Finger weg!“- Gefühl, obwohl sie keine bedeutenden Gifte in sich tragen. Diese Irreführung wird Mimikry genannt. Scheinbar ist in uns modernen Menschen auch noch ein letzter Funken dieses natürlichen Instinkts und wir empfinden keinen Drang, eine Wanze beim ersten Anblick zu kuscheln oder sie zu verspeisen. Gut fürs Überleben der Wanzen!

Wanzen stinken!
Ja, es stimmt. Und es hat einen wichtigen Grund: Wanzen sind gern in sozialen Verbänden unterwegs und kommunizieren mit Gerüchen. Über den Rücken werden Pheromone abgegeben, die andere WanzenkollegInnen über gute Futterstellen informieren oder vor Gefahr warnen. Diese Pheromone nehmen wir Menschen auch wahr. Glücklich, wer eine Zimtwanze erduftet, deren Ausdünstungen tatsächlich an Weihnachtskekse erinnern. Aber auch Bettwanzen kann man erschnuppern – befallene Schlafräume sollen einen ganz eigenen, typisch süßen Geruch haben.

Und das Beste zum Schluss: Im Jahr 1891 entdeckte der Wissenschaftler Hermann Henking das X-Chromosomen unter dem Mikroskop bei Untersuchungen mit Feuerwanzen. Er fand heraus, dass eine mit „X-Faktor“ befruchtete Eizelle ein weibliches Tier und Spermien ohne X ein männliches Tier ergaben.

Wer hätte das gedacht, dass diese „Lästlinge“, wie sie gern von Kleingärtnern beschimpft werden – denn Feuerwanzen sind noch nicht einmal schädlich! – einst die Hauptrolle in der genotypischen Geschlechtsbestimmung spielten…

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